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30. Mai 2010

Die Vorfreude der Rot Weissen

Blick in die Vergangenheit
Warum eigentlich herrscht auf Seiten Unions eine deutlich größere und spürbarere Vorfreude als im Hertha Lager? Bereits Monatelang vor dem feststehenden Abstieg füllte das Thema Seiten im Unionfanforum. "Die blanke Schadenfreude" - möchte man den Wuhlheidern unterstellen. Aber ganz so einfach ist es am Ende nicht. Dazu muß man einfach mal die Gesamtsituation der Uniongeschichte betrachten. Im Ostberliner Wahrnehmunsgbild spielten die Eisernen quasi immer die erste Geige. Unabhängig ihres sportlichen Abschneidens oder Ligazugehörigkeit konnte sich Union schon zu DDR Zeiten der größeren Publikumsgunst gewiss sein und Sympathie und Aufmerksamkeit in der gesamten Republik auf sich ziehen. Nach der Wende und der Neueingliederung der ostdeutschen Fußballvereine in den DFB, kam man dann jedoch kaum über die Drittklassigkeit hinaus. Zwischen 1991 und 1994 wurde man zwar gleich 4 mal hintereinander Ligameister, scheiterte dann aber an der Relegation oder an Lizenzentzügen/verweigerungen. Zehn Jahre und etliche Fastbankrotts lang sollte es dauern, bis man 2001 zum ersten mal wieder im deutschen Profifußball wahrgenommen wurde. In der Zwischenzeit bildete jedoch Hertha BSC - bis Mitte der Neunziger kaum mit mehr Aufmerksamkeit bedacht - das Synonym für "Berliner Fußball" und nutzte diesen Vorteil auch um eine komplette Fangeneration in der Stadt und dem Umland abzuschöpfen und zu binden. Der gemeine Unioner sehnte sich in der Zeit nach Fußballhighlights, die in der Dritt oder zwischendurch gar Viertklassigkeit eher rar gesäht waren. "Highlights" im Sinne eines Unioner muss dabei nicht zwangsläufig mit "von Erfolg gekrönt" gleichgesetzt sein. Sondern ein Highlight ist dabei lediglich eine "besondere Herausforderung". Je weniger man dabei gewinnen konnte, desto größer eigentlich der Highlightfaktor der sich auf reines "Erleben einer Konstellation XY" limitieren lässt. 

Niemand wird wohl bezweifeln, das ein Stadtderby das Potential zu einem solchen Highlight hat. Gegeben hat es davon natürlich auch in der Unterklassigkeit einige. Aber was bringt einem ein Derby gegen TeBäh an Herausforderung? Fantechnisch gesehen so interessant wie Berolina Strahlau, oder SC Verl. Gegen ein paar hundert versprengten Lila-weissen Anhänger, selbst bei deren Heimspiel, mit tausenden rot-weissen in den Gessangswettstreit zu treten ist so spannend wie gegen den Wind zu pinkeln. Zu wirklicher Brisanz reichten die Spiele auch nicht, trotz der Situation Anfang der Neunziger als TeBäh Profiteur der rot-weissen Lizenzentzüge war. Bleibt das Stadtderby gegen den verhassten Un-Club aus H-Town. Klar war hier traditionell eigentlich immer Pfeffer drin. Aber solche Derbys in Liga 3, 4 oder im Berliner Stadt Pokal gegen einem Verein, den man am liebsten nie mehr wieder sehen wollte, sind auf Dauer auch unbefriedigend. Kurzzeitig waren es eher die Spiele gegen Babelsberg 03, die so ein wenig Highlight Charakter hatten. Zum einen weil es entfernungstechnisch fast ein Stadtderby war und zum anderen, weil diese Spiele sogar eine Saison lang in der Zweiten Bundesliga stattfanden und somit wenigstens etwas von der großen Fussballöffentlichkeit versprach, nach welcher sich der Unioner in seiner Wahrnehmung sehnt.

Blick in die Zukunft
So richtig gerecht werden konnte seit 20 Jahren keine Spielansetzung mehr der Sehnsucht nach einem "Highlight", wenn man mal von den Viertel-, Halb- und Finalspielen im DFB Pokal und dem ein oder anderen Relegationsspiel wie dem Elfmeterdrama in Osnabrück absieht. Ein Derby das kein wirkliches war, eins das mangels Masse langweilte und eins, auf das man lieber gestern statt heute verzichtet hätte. Doch JETZT ist Hertha abgestiegen. Der schier übermächtige Verein aus der eigenen Stadt, so nah und doch so unerreichbar, meist zwei Klassen über einem, der allein schon aus diesem Grund die Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung auf sich zieht. Jetzt in einer Liga. Mit den selben sportlichen Gegnern. Und zwei Spielen gegeneinander. Es geht den meisten Unionern wohl kaum um Schadenfreude. Auch nicht primär darum, die blau-weissen sportlich im direkten Duell zu besiegen. Es geht einfach darum, dieses Spiel überhaupt vor der Brust zu haben. Ein Spiel bei dem es um was geht. Ein Spiel dem man entgegen fiebert. Ein Spiel welches getrost als "Highlight" bezeichnet werden kann. Und das noch in der Lieblingsrolle der Köpenicker - der des Underdogs. Sportliche Brisanz aufgrund der gleichen Spielklasse, lokale Brisanz weil die Anhänger des Gegners auch im Freundes,- Bekannten,- und Kollegenkreis zu finden sind und man sich gern gegenseitig befrotzelt. Öffentliche Brisanz und höchstmögliche Aufmerksamkeit, weil es einfach keinen weiteren höherklassigen Rivalen, in dessen Schatten einfach alles andere untergeht. Endlich gibt es ein Spiel, das man auch haben will. Keine lilalangeweile oder weinrote Vergangenheit. Man will DIESES Spiel. Gegen einen Lokalrivalen der ein deutlich unterhaltsamer und gern gesehenerer Gast und Gastgeber ist, als es einer der anderen beiden Derbykandiaten der letzten Jahre jemals war und sein wird.
Es ist die Möglichkeit ein neues Kapitel in der Union Geschichte aufzuschlagen, statt in der ewig gestrigen gefangen zu sein. Berlinderby. Endlich die Chance das dieses Wort für den sportlichen Vergleich der beiden höchstklassigen Berliner Vereine im deutschen Fußball steht, statt für unterklassige Nachwendezeitgekicke.
Das anstehende Derby ist Gegenwart, Zukunft, Herausforderung und Highlight in einem. Deswegen die bei einigen schon seit Monaten sich abzeichnenden Vorfreude ....
Wir lesen uns!

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