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3. Oktober 2013

Der "betrogene" Ost-Fußball in den Nachwendejahren

Mähr, oder nicht Mähr ... das ist hier die Frage.

Selbst fast 25 Jahre nach der Wende keimen hier und da immer mal wieder alte Erinnerungen auf. Duelle die es scheinbar nie mehr wieder geben wird, große Traditionen und mittendrin der böse DFB und sowieso die böse Wende für den Ostfußball. In manchen Ligen schwelgt man ob der wieder stattfindenden Duelle bisweilen auf einer wahren Nostalgie Welle. Gemeinsam kann man sich zumindest gleich doppelt betrogen fühlen und sich vor allem gegenseitig bedauern. Untereinander - so in Liga 4, 5 oder 6 - weiß man zumindest das man "eigentlich" zu den Großen gehört und nur durch ein garstiges Komplott in die Unterklassigkeit verdammt wurde. 
Seit geraumen nehme ich mir vor, dem Ganzen mal sachlich auf den Grund zu gehen. Seit einigen Wochen liegt dazu sogar eine Textdatei auf meinem Rechner mit einer Liste von Ex-Oberliga Mannschaften die nach der Wende tatsächlich mal in der ersten oder zweiten Bundesliga vertreten waren. Vereine, die es also seitdem irgendwie selbst mal in der Hand hatten und - ob nun sportlich oder wirtschaftlich - sich erst später und mit deutlich mehr "Selbstschuld" Faktor aus dem Rampenlicht des Profifußballs verabschiedet haben, als man gefühlt wahrnehmen möchte. 
Letztendlich war es ein Randthema der letzten Folge des Textilvergehen Podcasts, welches den Ausschlag gab, die lange zusammengesammelten Notizen und Daten doch mal als Artikel zu veröffentlichen. 
Also wie war das mit dem großen DDR Fußball der nach der Wende komplett in den Untergang geknechtet wurde? Klar, die Regelung zum gemeinsamen Bundesliga-Start nur 2 Oberliga Mannschaften zuzulassen und nur ein halbes Dutzend andere in die Zweite Liga aufzuteilen war nicht wirklich fair. Das war aber vieles damals nicht und ist es heute auch nicht. Auch Abseits des Fußballs. Widmet man sich dem Ganzen aber etwas genauer, stellt man aber fest, dass keineswegs der gesamte Ost-Fußball "auf einen Schlag für immer von der Fußball Landkarte" getilgt wurde.
14 Mannschaften umfasste die DDR Oberliga. Seit der Wende waren 13 Mannschaften mit DDR-Liga/Oberliga Hintergrund in den oberen beiden Bundesligen vertreten, hatten also zumindest die Möglichkeit dort zu bestehen und sich sportlich zu messen. Diese 13 Mannschaften sind:
• Hansa Rostock
• Dynamo Dresden
• VfB Leipzig (als Nachfolger des 1.FC Lok)
• Energie Cottbus
• Stahl Brandenburg
• Chemnitzer FC (als Nachfolger des FC Karl-Marx-Stadt)
• Carl Zeiss Jena
• Hallescher FC
• Rot Weiss Erfurt
• Sachsenring /FSV Zwickau
• 1. FC Union Berlin
• Babelsberg 03 (naja gut, nicht unbedingt eine Oberliga Mannschaft)
• Wismut/Erzgebirge Aue
Jaja, an die Zugeghörigkeit zur ersten oder zweiten Bundesliga einiger kann man sich kaum erinnern, aber irgendwann in den letzten 23 Jahren waren sie tatsächlich alle mal dabei. Wer fehlt eigentlich noch von den ehemaligen DDR Oberliga Spitzen Teams, der seit der Wende noch nie wenigstens die Chance hatte in Liga 1 oder 2 mitzumischen? Legt man die letzten 3-4 Jahre vor der Wiedervereinigung zu Grunde, vermisst man in dieser Liste aus der ehemaligen Oberliga nur noch den BFC und den 1. FC Magdeburg. Das wars. Ohne Scheiß. Den BFC vermisst im Grunde ja keiner wirklich, bleibt also der FC Magdeburg als quasi einzige (!) ehemalige DDR Größe die wirklich (zumindest scheinbar) "untergegangen" ist, was die Nachwendepräsenz in einer der beiden oberen Ligen angeht und die damit als einzige einen legitimen Grund hätten ihr Dasein zu bejammern.
[...] Strukturell ist da bis heute auch nicht viel mehr los als in den Gegenden der ehemaligen und jetzt verschollenen DDR Oberligisten [...] 
Selbst wenn man noch großzügig und auf Teufel komm raus ein paar mögliche Wendeverlierer mit dazu nehmen will, die zuvor gelegentlich die Oberliga bevölkerten, kommt man bei Vereinen wie Chemie Leipzig, Stahl Riesa und meinetwegen noch Vorwärts Frankfurt /Oder nicht umhin einzugestehen, dass es sich objektiv gesehen hierbei - vielleicht von der langjährigen Leutscher Traditionsgeschichte mit einer Meisterschaft vor 50 Jahren mal abgesehen - nicht mehr wirklich um Vereine mit tiefgreifendem Oberliga Belang handelt. Selbst mit diesen kommt man also auf maximal eine Handvoll Vereine die tatsächlich durch die Wende "aussortiert" wurden und die danach nie wieder die Chance hatten in einer der beiden oberen Ligen zu bestehen. Natürlich waren die Vorraussetzungen in diesen Ligen zu bestehen schon strukturbedingt nicht immer gerecht. Aber fragt mal die Leute in einem ganzen Landstrich nördlich von Hamburg nach Bundesligafußball. Kiel? Lübeck? Emden? Oldenburg? Nix. Nada. Niente. Strukturell ist da bis heute auch nicht viel mehr los als in den Gegenden der ehemaligen und jetzt verschollenen DDR Oberligisten. 

Ist der Untergang einstiger Fußballgrößen doch kein reines Ost Problem?

Doch, muß ja, schließlich sind doch ausschließlich wir Ossis die benachteiligten und unterdrückten.  Aber haben wir wirklich ein Exklusivrecht zum Bejammern des mutmaßlichen Untergangs? Wir reden immerhin vom Fußball von vor 25 Jahren!
Werfen wir doch mal einen Blick auf Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga der letzten 80er Jahre. Gibts da etwa keine Vereine, die damals anerkannt "dazu" gehörten, und heute in unterklassigen Ligen versunken sind? Nein? Was ist zum Beispiel mit:
• Wattenscheid 09
• Bayer Uerdingen (immerhin DFB Pokalsieger in den 80ern und UEFA Cup Teilnehmer)
• Waldhof Mannheim
Allesamt Erstligisten aus der gleichen Zeit, auf die sich die untergegangenen DDR Größen berufen. Nehmen wir noch weitere damalige Erstligisten wie 
• Fortuna Düsseldorf
• St. Pauli 
• Karlsruher SC 
dazu, die Ende der 80er öfter in einer der beiden oberen Ligen anzutreffen waren, haben wir das halbe Dutzend voll von Vereinen, die sich in den Jahren danach irgendwo bis in den Niederungen der 4. Liga, mindestens jedoch in der Drittklassigkeit wieder fanden. Und um das Ganze auch hier mal (fairerweise) auf das "Stahl Riesa Niveau" zu erweitern und mit Vereinen aufzufüllen die zwischen 87 und 91 mal zumindest irgdendwann erstklassig waren, tauchen Namen wie FC Homburg, Stuttgarter Kickers oder Blau Weiss 90 auf, an deren Erstligazugehörigkeit bisweilen kaum noch jemand erinnern kann.
Von gestandenen (ehemaligen) Zweitligisten wie SV Meppen, Fortuna Köln, Saarbrücken, Darmstadt 98 , oder Rot-Weiss Essen, ganz zu schweigen, die allesamt zwischenzeitlich bis in Liga 4 und tiefer anzutreffen waren und heute noch sind.
Ist also fast 25 Jahre nach der Wende der "Niedergang des Ostfußballs" immer noch eine reine Folge der Wiedervereinigung? 
Wir reden hier immerhin von über einem Dutzend Vereine, die im bundesdeutschen Fußball der Vorwendejahre zumindest eine kleine Rolle gespielt haben,- und von denen immer noch wenigstens die Hälfte auf Nimmer-Wiedersehen irgendwo verschwunden scheint. Bei den ex-Oberliga Vereinen reden wir gerademal von ZWEI Oberliga-Dauergast Mannschaften die es nach der Wende nie höher als Liga 3 geschafft haben. Ist nun die Wende schuld? Oder ist es einfach der Lauf der Dinge? Meinetwegen ein wirtschaftlicher Zwang, welcher dann aber nachweislich Vereine aus Ost und West zu (mindestens) gleichen Teilen trifft. In einem Zeitraum, der sich einfach nur praktischerweise auf die Wende in einer Richtung begrenzen lässt? Ein Zeitraum der genauso viel "West" Vereine in die Bedeutungslosigkeit geschickt hat wie die DDR Oberliga überhaupt Mannschaften hatte. Gesamtbundesdeutsch ist es eine in ALLEN Landesteilen zu beobachtende Entwicklung. Einstige Fußballgrößen der späten 80er, kickten nach der Wende und zum Teil bis heute irgendwo zwischen Liga 7 und 4. Einige kratzten immer mal wieder 1-2 Ligen höher, anderen blieb dies in den letzten 23 Jahren verwehrt. Zahlenmäßig betrifft dies zweifelsfrei mehr ex-Bundesligisten als ex-Oberligisten.
Ich denke es ist an der Zeit aufzuräumen mit all dem verklärtem (n)Ostalgie Geschwurbel, der niemandem etwas nützt, ausser das man sich gemeinsam in den Ungerechtigkeiten dieser Welt suhlen kann.
In diesem Sinne
Prost!

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