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8. Juni 2019

Was hat Union eigentlich für ein Problem?

Der erste Derbyzoff der Saison 2019/2020


Wir befinden uns mitten in der Sommerpause, der 1. FC Union ist aufgestiegen und beschert uns erstmalig das Derby in der ersten Bundesliga. Und schon kochen die Gemüter über, weil der Verein plötzlich gegen den Vorschlag Herthas (bzw den Antrag bei der DFL) das Derby am 9. November anlässlich des Mauerfalls auszutragen quer schießt und das Ganze mit einem lapidaren

„Also uns ist der Gedenktag zum #Mauerfall zu wichtig, wir wollen an diesem historischen Tag nicht Fußball spielen #fcunion „

kommentiert. Dieses undankbare Pack, sollen sie doch im Osten bleiben - so ein zusammengefasster Tenor aus der blau-weissen Fanwelt in den sozialen Medien. Die Diskussionen schossen ins unermessliche und zugegeben, die Begründung Unions scheint zudem ziemlich lasch.

Vorwürfe der Kommerzialisierung wurden von Hertha Anhängern zurecht damit abgetan, dass auf Seitens der Rot-Weissen doch schon ziemlich viel Event und Kommerz im Spiel ist, und sei es nur in Form der Darstellung eines Underdogs, welche der Verein zum einen pflegt und zum anderen natürlich daraus auch Kapital schlägt. Das dieses Datum historisch aus anderen Gründen eher ungeeignet ist eine Party mit Fackeln (*hust) und Fahnen zu machen, geht hingegen aus dem Union Statement nicht hervor - und überhaupt habe man ja auch in der Vergangenheit bereits am 9. November schon Fußball gespielt. Schließlich ist dies ein regulärer Spieltag.
Bei all diesen Argumenten haben die Anhänger der Blau-Weissen natürlich erstmal grundsätzlich recht. Was bei der Gesamtbetrachung allerdings zu kurz kommt, sind die Art und Weise, der Ton und die Umstände des Vorschlags ihres Vereins.

Was also ist denn nun eigentlich passiert?

Auf der Suche nach einem Image und vielversprechenden Marketing Ideen inszeniert sich Hertha dieser Tage als Mauerfallclub und bereist u.a. unter #teardownwalls etliche Gegenden in den USA. Dabei war man sich auch nicht zu schade David Hasselhoff mit einem blau-weissen Trikot auszustatten, welcher sich bekannterweise ja als den eigentlichen Grund und Anstoßgeber des Mauerfalls sieht.
Im Zuge dessen kam auf Hertha Seite - lange vor dem feststehenden Aufstieg Unions übrigens - die Idee auf, am 9. November ein Heimspiel bei der DFL zu beantragen und diesen Spieltag als eine Mauerfall Party zu gestalten und sich selbst dabei als Club des wiedervereinten Berlins der Welt zu präsentieren. So gut,- so legitim.
Es steht Vereinen frei bei der DFL vorstellig zu werden um den Wunsch vorzutragen besondere Anlässe und Jubiläen von Stadt, Land, oder Verein mit einem Heimspiel zu gestalten. In der Vergangenheit keine unübliche Praxis, denen die DFL (unter Berücksichtigung aller Umstände) zu Cannstatter Wasen, Oktoberfest oder Karneval auch gerne mal nachkommt. Der Gegner steht dann quasi random im Rahmen des eigentlichen Spielplans fest. Es mag vielleicht sogar schonmal den gemeinsamen Antrag von zwei Vereinen gegeben haben zu einem bestimmten Anlass gegeneinander gesetzt zu werden.

Was allerdings den aktuellen Vorstoß von Hertha betrifft, muss man so ehrlich sein um einzugestehen, dass dieser - in seiner einseitigen Art und Weise - ein gewisses Maß an Überheblichkeit und Geringschätzigkeit Union gegenüber enthält, welches die Köpenicker - mittlerweile Ligatechnisch zumindest auf Augenhöhe - irgendwie zu Statisten degradiert. Ein Standing den kaum ein einigermaßen selbstbewusster Verein hinzunehmen bereit sein dürfte.
Man kann davon ausgehen das der Inhalt des Antrages nämlich auf jeden Fall ein Heimspiel für Hertha BSC umfasst und das Spiel auf jeden Fall (und wie selbstverständlich) im heimischen Olympiastadion zu begehen gedenkt.
An so einem Tag einen beliebigen Bundesliga Club als Gegner für ein Heimspiel zu bekommen halte ich ebenso für legitim. Doch "einfach so" - und ohne den betreffenden Verein vorher zu fragen oder ihn in den Antrag auf andere Art und Weise einzubeziehen - mal eben auch noch den Wunschverein zu bestimmen, hat mit Verlaub ein "Geschmäckle". Und hier kommt der der 1. FC Union mit seinem Aufstieg ins Spiel,- und den Blau-Weissen gerade recht
Ein solches Spiel alternativ in der Alten Försterei auszutragen düfte jedenfalls nicht Inhalt des Antrages gewesen sein. Genausowenig wie die Überlegung, ob der 1. FC Union vielleicht eigene Pläne an diesem Tag haben könnte oder wie dieser grundsätzlich darüber denkt.

Genau diese Art "Statistenrolle" ist es, die etlichen Anhängern der rot-weissen (und offenbar auch den Clubverantwortlichen) sauer aufgestoßen ist. Man kann sich darüber streiten ob es sinnvoll ist, nach 30 Jahren das Derby in irgendeiner Form zu politisieren. Man kann sich darüber streiten ob es sinnvoll ist nach 30 Jahren Mauerfall diesem Spiel einen zusätzlichen "Ost-West" Stempel aufzudrücken - und das wo sich beide Vereine doch mittlerweile und seit Jahren als "Gesamtberliner Verein" sehen.

Mit Respekt gegenüber dem 1. FC Union hat der erfolgte einseitige Antrag nunmal leider nichts zu tun.


Es mag genau soviel Pro Argumente für ein Spiel an diesem Tag gegeneinander geben wie dagegen. Ich gebe zu, das Ganze hätte schon einen gewissen Charme und auch eine Symbolkraft für das vereinte Berlin - und ich hätte grundsätzlich nichts dagegen gehabt ein Derby an diesem Tag gegeneinander auszutragen. Aber bei einer Idee dieser Tragweite, sollten doch bitte VORAB beide Parteien einen Austausch anstreben und gegenseitige Befindlichkeiten erörtern und respektieren. Doch mit RESPEKT (gegenüber dem 1. FC Union) hat der erfolgte einseitige Antrag nunmal leider nichts zu tun. Es geht hier nicht darum "wer die Idee gehabt hat" und das Union nur bockig ist, weil es Herthas Idee war. Es geht darum, das man eine Marketingidee in den Vordergrund stellt, und offenbar davon ausgeht "der kleine Ostverein" würde das dankbar annehmen und sich freuen von der "großen Tante aus dem Westen" mit soviel Aufmerksamkeit beglückt zu werden. Dabei weiß ein Herr Keuter sicher mehr als alle anderen, das, wenn es einen Verein gibt der kein Problem damit hat Aufmerksamkeit zu generieren, dies im direkten Vergleich der 1. FC Union ist, während man selbst im jährlichen Wechsel mit den verschiedensten Marketingkampagnen auf der Suche nach einer eigenen Identität ist.
Die Art und Weise der "Vereinnahmung", wie es in rot-weissen Kreisen auf diversen Social Media Kanälen heisst, zeugt vor allem von der mangelnden Einsicht bei Hertha BSC, dass der 1. FC Union mittlerweile - zumindest Ligatechnisch - ein Club auf Augenhöhe ist!
Der 1. FC Union hat in den letzten 10 Jahren ein zu starkes eigenes Selbstverständniss, Image und natürlich auch ein entsprechendes Selbstvertrauen entwickelt, um sich dankbar nach den Brotkrumen zu bücken, die ihnen gönnerhaft von vermeintlich "Großen" hingeworfen werden und man sollte ihm im direkten Miteinander zumindest mit entsprechendem Respekt entgegen treten. Dazu gehört nunmal auch, einen solch weitreichenden Antrag zumindest mal vorher gemeinsam zu besprechen, anstatt in der "Großkopfertheit" der 90er/00er Jahre - seine eigene Party zu planen und den Gast nicht wenigstens mal vorher dazu "einzuladen", sondern einfach voraussetzend "festzulegen".

Hier wurde eine, vielleicht sogar gute, Idee verspielt indem man sich selbst in der Position des "Gebenden" gesehen hat, der über den Kopf des "kleinen" hinweg mal eben entscheidet was für beide Seiten das beste wäre - ohne zu bedenken, das Union (zu Recht) sicherlich auch eine Meinung dazu hat, was für sie das Beste ist.
Ein vorausgehender Austausch hätte viele Möglichkeiten eröffnet diesen Tag vielleicht doch zu etwas "besonderem" zu machen, der Alleingang hingegen zeugt von einer Art Arroganz, Großmachtanspruch und einem Selbstverständnis der Blau-Weissen, welches längst nicht mehr die Wirklichkeit widerspiegelt.

 David Hasselhoff im Blau-Weissen Trikot im Mittelkreis vor dem Anstoß "Looking For Freedom" schmetternd... 

Kein Mensch lässt sich schließlich freiwillig und ungefragt zu einem Statisten abstempeln, da kann die Idee dahinter noch so gut sein. Entweder (und da sind wir bei einer guten Analogie der "Einheit") - zwei Parteien handeln und agieren auf Augenhöhe, oder eine Seite vereinnahmt mal eben die andere, weil das gerade so gut in die eigene Marketingkampagne passt.
Ich glaube kein Unioner hat Bock, dankbar ob der Blau-Weissen Großherzigkeit, David Hasselhoff im Blau-Weissen Trikot im Mittelkreis vor dem Anstoß "Looking For Freedom" schmetternd zu sehen und Medien in aller Welt 30 Jahre nach dem Mauerfall irgendwelche klischeehaften "Ost/West" Geschichten erklären zu lassen.

In diesem Sinne: Es ist angerichtet
Man liest sich

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